Unser Erlanger Go-Freund Nikolai Nagel hat sich in auf dem Go-Turnier “Münchener Bierseidel” gut geschlagen. Obwohl er nur eine seiner vier Partien gewonnen hat, kann er zufrieden sein. Denn zwei seiner Gegner waren 3d!
Nikolai hat seine Eindrücke vom Münchener Bierseidel niedergeschrieben:
Als ich mich entschlossen habe, zum Bierseidel nach München zu fahren, hatte ich einen Plan. Erst schlafe ich aus, dann nutze ich Runde eins, um entspannt von Erlangen nach München zu kommen, während sich meine zukünftigen Gegner bereits in einer Partie gegenseitig schwächen.
Runde 1: (Nikolai hat nicht an der ersten Runde teilgenommen)
Runde 2: Thomas Ludwig (S, 1. Kyu, München) – Nikolai Nagel (W)
Die Partie in Runde zwei entwickelte sich zunächst nicht nach meinem Geschmack. Doch dann kam mir ein Lesefehler meines nominell schwächeren Gegners Thomas Ludwig zur Hilfe.
Er verliert unerwartet seine Vorhand, während ich mit einem schnellen Sprung sein Potenzial für eine Basis vernichte. Er sieht lokal keinen guten Zug mehr und beschließt sich am anderen Ende meiner Seite anzunähern. Ich nehme ihn in die Zange. Wir springen beide, und als er mich auf der Seite runter drücken will, gehe ich in eine kämpferische Variante über, die von meinen “Freunden” (Steinen) in der Nähe Gebrauch macht.
Er bleibt wieder fern, um auf der anderen Seite des Kampfes zu “peepen”. Ich antworte mit meinem Powerplay und mein Gegner sieht sich gezwungen, in die Mitte zu laufen.
Ab hier wird die Partie immer komplizierter und ich muss eine große Entscheidung nach der anderen aus dem Bauch heraus treffen, denn wir beide nähern uns dem Byo-yomi, in dem ich erfahrungsgemäß deutlich schwächer spiele.
Nachdem meine Invasion nur für ein Ko gereicht hat und ich dieses versehentlich sogar in ein Doppel-Ko umwandle, hängt die Partie an seidenem Faden. Mir fehlt die Zeit, um auszulesen, ob meine Drohung eine starke Fortsetzung hat. Mein Gegner reagiert nicht, ich setze fort und er wirft das Handtuch.
Mein Gedanke dabei: Zum Glück hat mein Gegner resigniert und mir die Möglichkeit genommen, selbst einen spielentscheidenden Fehler zu machen.
Runde 4: Theo Come (W, 3. Dan, Frankreich / München) – Nikolai Nagel
In der berühmten dritte Runde, in der viele Spieler schon erschöpft sind, treffe ich auf Theo Come (3. Dan).
Bei stärkeren Spielern setze ich gerne das magische Schwert (von Muramasa) ein und versuche in der Eröffnung durch kompliziertere Varianten einen Vorteil rauszuschlagen.
Dies ist mir auch gegen Theo geglückt. Erst nehme ich eine Ecke und springe in Gote raus auf seine Seite. Dann trenne ich mit dem magischen Schwert eine 20 Punkte Ecke von meiner Spielfeldhälfte ab und erschaffe eine monströse Mauer, die zusammen mit meinem Hoshi zu einem befriedigenden Moyo führt.
Gelockt vom glücklichen Glanz meiner Steine setzt mein Gegenspieler auf den letzten freien Stern zwischen unseren Spielfeldhälften. Als ich mit einer sanften Geste eine weitere Annäherung zu verhindern suchte, passiert es dann. Invasion! Mein schwarzer Hoshi wird von einem fremden weißen Stein berührt.
Nach einem “du kriegst die Ecke, ich kriege die Wand”-Abtausch entwickelt sich mein Moyo zu einer 50 Punkte Seite, welche sogleich von ihm einer vorbildlichen, nicht die äußere Grenze überschreitenden Reduktion unterzogen wird.
Nachdem mir lokal kein guter Zug einfällt, nehme ich Verhandlungen um das Gebiet auf seiner Spielfeldhälfte auf. Da er reges Interesse zeigte, seine Seite zu behalten nehme ich zunächst mit einer neue Ecke vorlieb. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Als er, statt einen Deckungszug zu spielen, die Vorhand nimmt um mit einem Peep seine Seite zu vergrößern, finde ich eine Antwort. Ich bekomme Sente und komme nochmal auf die gesamte Seite zu sprechen.
Zunächst schafft es Theo, unter meiner Invasionsgruppe hindurch zu kriechen und seine Steine zu einer Gruppe zu verbinden, wofür ich mit einem halben Auge entschädigt wurde.
Dann will er rechts mit einem Hane ausbrechen, das ich schneide. Er spielt drei Blockzüge, die mir endgültig den Ausweg zur Mitte nehmen, doch mich in Richtung meiner anderen Gruppe treiben. Nun hängt alles davon ab, ob ich meine Invasionsgruppe anbinden kann.
Wie Theo wohl genau wusste, konnte er eine Verbindung verhindern. Doch wieder finde ich den entscheidenden Zug, der die Trennung eines seiner beiden Augen verlangt und bestenfalls für ihn ein Seki ergibt. Er war gezwungen, die Abtrennung meiner Gruppe aufzugeben, um in Gote selbst ein zweites Auge zu generieren.
Nachdem ich laut Leela zwischen Zug 20 und Zug 120 auf 30 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit herumgekrochen bin wird meine Stellung bei Zug 127 (direkt nach dem eben beschriebenen erfolgreichen Abschluss meiner Invasion) mit imposanten 93 Prozent bewertet. Denn das Blockieren des Auswegs zur Mitte hat bei meinem Gegner seinerseits eine sehr schwache Gruppe erzeugt, die dringend einen Deckungszug nötig hätte.
Nachdem er aber mit seiner anderen Gruppe in Nachhand Leben musste, konnte ich nun selbst den ersten Zug dort spielen.
Leider bin ich dann meinerseits in einen übereilten Tötungsversuch hineingestürzt und habe die gegnerische Gruppe praktisch zum Leben gezwungen. Danach war es dann wieder eine ausgeglichene Partie, in der es zu einem weiteren Kampf kam, welchen ich nicht für mich entscheiden konnte.
Am Ende lag Theo 20 Punkte vorne.
Runde 4: Norbert Jendrusch (W, 3. Dan, München) – Nikolai Nagel (S)
Nachdem ich in Runde drei nicht vollkommen untergegangen bin, wurde ich in Runde 4 gleich noch einem 3. Dan, Norbert Jendrusch, vorgesetzt.
Ich habe wieder mein magisches Schwert ausgepackt, konnte wieder einen leichten Vorteil rausschlagen, habe die Partie aber hier wesentlich früher, vielleicht bei Zug 80, an Norbert abgegeben.
Runde 5: Andreas Kiehl (S, 1. Dan, München) – Nikolai Nagel (W)
Die letzte Partie in München habe ich mit Andreas Kiehl wieder gegen einen gleich starken Spieler gespielt und schließlich auch verloren.
Insgesamt komme ich also mit einem Ergebnis von 1:3 Partien und ein Paar lehrreichen Erfahrungen aus München zurück.
Ich habe einige nette Leute dort kennen gelernt und freue mich schon aufs nächste Jahr.
Grüße aus Erlangen von Nikolai Nagel